Sunday 15 March 2009

ZIELLINIE

Blockhouse Bay-Auckland
Sonntag, 15.März 2009 17:35
S36 54.449 E174 42.345

Kein Weg führt vorbei, nur mitten durch. Auckland Teil III, Endstation, bitte kurz und schmerzlos. Die letzten Tage waren schön, doch die innere Ruhe ist weg. Reist man 3 Wochen, wird man vielleicht am vorletzten Tag unruhig. Reist man Jahre, fängt das schon Wochen vorher an. Es verknotet sich der Bauch bei Gedanken wie Autoverkauf und Wohnungssuche, vor Großstadthektik und vor dem gezwungenen Aussortieren einer fahrenden Rümpelkiste.

Frisch angekommen, wird erst einmal die Lage inspiziert.
Es ist Saisonende und auf den ehemals spärlich besetzten Automärkten quälen sich nun zahlreiche frustrierte Reisende mit ihren rostigen Lauben und einer nicht vorhandenen Käuferschaft. Zum Herbstbeginn fängt kaum noch einer an zu Reisen, die Preise sind im Keller, die Gesichter lang. Aufgereiht stehen sie da. Die treuen Sorgenschlitten einer multinationalen Verkäuferbande. So viele unvergessliche Erlebnisse haben sie ermöglicht und nun will sie keiner haben. Täglich werden es mehr. In den Hostels türmen sich die Verkaufaushänge zu dicken Stapeln. Von den Abreißschnipseln mit Telefonnummer fehlt fast nirgends eins, die Preise sind mehrmals durchgestrichen. „leaving soon! last offer!“Wir haben schon von Autos am Flughafen gehört, wo noch der Schlüssel steckt. Die Besitzer hatten wohl einen recht engen Zeitrahmen oder einfach keine Nerven mehr.

Mein Knoten im Bauch wird fester und lässt den Morgenkaffee nur langsam weiterrutschen. Wir hatten gerade für fast 400$ die gerissene Frontscheibe wechseln lassen um durch den TÜV zu kommen, das Konto ist inzwischen Flach wie die Canterbury Plains, und eine günstige Wohnung ist nicht in Sicht.
Wir bereichern die Stapel der Verkaufs-Aushänge mit unserer Deluxe-Farbfotoversion, Kayak inklusive. Unser Preis ist doppelt so hoch wie die meisten anderen. 5500 Ist unser Ziel. Ein Versuch, wir haben Zeit. Mit etwas Glück findet sich ein schönes freies Zimmer außerhalb des Zentrums. In 5 Tagen frei. Wir flüchten noch am selben Tag aus der Stadt an einen schönen Strand im Norden und trauen uns erst zur Zimmerübergabe zurück.

Das schöne Haus mit Garten steht inmitten von zigtausend anderen Häusern mit Garten, doch schafft es ein vorläufiges „zu Hause Gefühl“. Die kleine Fellrolle von Hund einer Mitbewohnerin vergewaltigt gleich mal mein Bein und steht danach ganz fertig da, es gibt 24/7 Internet und die selten gewordenen Annehmlichkeiten des „normalen“ Lebens wie Kühlschrank und Badewanne.
Das Auto wird zuerst gebadet, im Zimmer türmt sich das Inventar zu Bergen. Im Internet entsteht eine Anzeige aus den allerfeinsten Autobildern und langer Zubehörliste. An der Beschreibung formuliere ich mir stundenlang die Finger wund, jedes Wort muss sitzen. Es geht um alles, die Konkurrenz ist heftig. Das Telefon blieb bis jetzt stumm, dafür knurrt der Hund mit meinem Hosenbein im Maul.

Es ist Freitag: Der erste Anrufer. ..Wohnt 100 Kilometer weiter und kommt mit seiner Frau zum ansehen. Heute! Bitte, Danke, Gern geschehen, Bis später..
Ich frage mich, ob sich 100km durch Auckland am Freitagabend für unser Auto lohnen und knabber mir die Nägel ab.
Da stehen Sie nun. Sie hat generell kein Interesse, Er fragt mir Löcher in den Bauch. Mit einem “das wird nie was“ Gefühl kurven wir kurz um den Block. „Wir könnten einen Scheck ausstellen oder online überweisen. Wären 5000 ok?“ Ich kann die Kinnlade gerade noch halten.

Bei einem Kaffee im Haus wird online überwiesen und Papierkram ausgefüllt. Da ist er wieder, der Knoten im Bauch. Das ist alles so schräg. Irgendwas stimmt hier nicht. Sie kommen von sonst wo und kaufen sofort. Es ist Freitagabend, keine Bank hat offen, es gibt nirgendwo Cash, am Automaten höchstens 800$. Onlinebanking, keine Sicherheit für uns, keine Zulassungsstelle hat offen und auch kein Post-Office. Absicht?
Im ersten Ausralienurlaub hatte ich mit einem Käufer zu kämpfen, der seine Überweisung über Nacht zurückgezogen hatte.
Ich klammere mich an die Bestätigung der Überweisung am Bildschirm und widerwillig überlassen wir ihnen unsere geliebte Wohnung auf Rädern. Seltsamer kann man sich kaum fühlen.

Beim genaueren checken der Bestätigung finde ich später zufällig die mitkopierten Kontostände der Käufer. Kredit 145.000$ -minus! Mein Magen rutscht mir ins Hosenbein wo der Hund kaut. Wir wühlen das Netz nach Namen, Stadt, Beruf und finden nicht viel. Die Bank sagt uns am Telefon diese Überweisung kann bis Dienstag dauern.
Wir zermartern uns die ganze Nacht das Hirn und tippen uns die Finger wund. Auf unserem Konto regt sich nichts. Irgendwann geben wir auf und schlafen ein.

Kaum ist am Morgen das erste Auge offen, wandert die Hand zum Laptop. Kann man nicht mal Glück haben? Im folgenden Frühstück war unser Grinsen breiter als die lappigen Toastscheiben..

Die Badewanne macht nun gleich vielmehr Spaß, das Bier vom entfernten Supermarkt zu schleppen weniger. Mit so einem schnellen Verkauf hatten wir nicht gerechnet und nun haben wir noch fast einen Monat Zeit. Wir planen noch ein paar Touren mit Rucksack oder Mietauto. Die letzten Sommertage genießen. Bitte schon mal anwärmen zu Hause, die Sonne bringen wir mit..

pics: (1) Auckland City; (2+3) Pasifika Festival in Auckland; (4) zu verkaufen: Küche, Wohnzimmer, Kleiderschrank, Auto, Eigenheim.

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